Vergrößerung [76k]Jöhstadt - Gutachten


Abnahmegutachten über die von der Fa. Wünning/Großolbersdorf rekonstruierte Göthel-Orgel in der Kirche zu Jöhstadt.

Am 22.6.96 habe ich im Beisein von Herrn KMD Drechsler, Herrn Pfarrer Sippel, Herrn Kantor Rockstroh, Herrn Orgelbaumeister Wünning sowie Mitgliedern des Kirchenvorstandes die von Fa. Wünning rekonstruierte Göthel-Orgel in der Jöhstädter Kirche abgenommen.
Fa. Wünning hat die Orgel von 1861 weitgehend originalgetreu rekonstruiert. An alter Substanz waren fast das komplette Pfeifenwerk der 24-Register-Disposition Göthels, die Windladen von Haupt- und Pedalwerk, Teile des Gerüstwerks, die Spanbälge sowie das Gehäuse vorhanden.
Die historische Substanz wurde fachkundig, sorgfältig und unter Beachtung aller denkmalpflegerischen Kriterien durchgeführt. Insbesondere sind die Pfeifen, die 1935 verändert und umintoniert worden waren, sehr behutsam behandelt worden (Kernstiche nur von unten, durch den Fuß zugerieben). Viele Pfeifen, besonders im Pedal, mußten angelängt werden; dies ist in einwandfreier Weise geschehen. Die Posaune erhielt neue Bleikehlen. Die verloren geglaubte Hohlflöte 8' musste nicht ganz neu gebaut werden. Nach genauer Untersuchung der Pfeifen konnte sie zum großen Teil durch Anlängen der Quintade wiedergewonnen werden. Die Windladen sind bestens instandgesetzt und von den Zutaten der elektropneumatischen Traktur befreit. Neue Teile entsprechen Göthelscher Bauweise.
Ebenso wurden alle neu zu bauenden Teile, wie Oberwerksladen, Spiel- und Registertraktur, Spielschrank, Gerüstwerksteile genau nach Göthel angefertigt. Vorbild war dabei in erster Linie die Orgel in Grünlichtenberg. Hier hat Herr Wünning offensichtlich sein ganzes Können und seinen Ehrgeiz eingesetzt, um eine bis ins Detail originalgetreue Rekonstruktion zu schaffen. Im Untergehäuse der Orgel glaubt man, sich in einer Göthel-Orgel zu befinden, nur dass hier alles neu ist. An der Qualität der Arbeit gibt es nichts auszusetzen.
Aus Gründen der Funktionssicherheit sind die neuen Oberwerksladen aus abgesperrten Hölzern gebaut, aber furniert, so dass sie wie Göthel-Laden aussehen.
Am Spieltisch unterscheidet sich nur das Notenpult vom Göthelschen Original: für heutige Notenformate ist es größer und tiefer aufgehängt. Selbst scheinbar nebensächliche Details wie z.B. die extra angefertigten Schlösser für Spielschrank und Gehäusetüren zeugen von der Konsequenz, mit der Herr Wünning vorgegangen ist.
Die Spielart ist, wie bei alten Instrumenten, handfest und mit ausgeprägtem Druckpunkt. Gewöhnungsbedürftig ist die historische Pedalform. Die Pedalventile klappen sehr laut, sie sollen nachträglich durch eine Auflage aus Filz und Leder beruhigt werden.
Viel Freude hat man am wiedergewonnenen Göthel-Klang, der, trotz der starken Veränderungen von 1935, fast ohne Einschränkung wiederhergestellt werden konnte. Farbigkeit, Charakteristik und Mischungsfähigkeit der Register inspirieren den Spieler, das Pleno ist intensiv und glänzend, die Posaune gibt ein gewaltiges Fundament. Besonders gelungen ist das neue Prospektregister, es ist der schönste Wünningsche 8'-Principal, den ich kenne. Nicht zuletzt unterstützt die Akustik der Kirche den guten Klangeindruck der Orgel.
Die Windversorgung ist einwandfrei; die Stimmung war zum Zeitpunkt der Abnahme gut.

Die fertige Orgel demonstriert überzeugend, dass es eine richtige Entscheidung war, satt einer Reparatur des elektropneumatischen Instruments einen konsequenten Weg zu gehen und aufgrund der reichlich vorhandenen Originalsubstanz die Göthel-Orgel zu rekonstruieren. Auch wenn dabei durch reduzierten Tonumfang, fehlende Spielhilfen und nur zwei Manualen spieltechnische und literaturmäßge Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen.
Der Gemeinde darf man zu ihrer schönen neu-alten Orgel beglückwünschen, Herrn Wünning und seine Mitarbeiter zur hervorragenden Arbeit und bestandenen Herausforderung.
Die Abnahme erfolgt ohne Vorbehalt.
Der Abschluß eines Wartungsvertrages wird empfohlen.

Thurm, den 27.7.97